Selten hatte ich vorher so ein schlechtes Bild von einem
Land gemalt bekommen. Es ist laut, dreckig, überfüllt; ich soll kein Essen von
Fremden annehmen, nicht alleine im Dunkeln rumlaufen; als Ausländerin werde ich unangenehm angestarrt und als
allein-reisende Frau werde ich früher oder später Probleme bekommen. Von
Reisenden, Couchsurfern und Einheimischen habe ich nur Warnungen bekommen und
wurde zur Vorsicht geraten. Indien - entweder man liebt es oder hasst es. Ich war
fast sicher ich würde es hassen.
Aber Indien ist anders. Anders als erwartet. Wo war das
Unangenehme, wo die Extreme? Gut, Indien ist laut und dreckig im Vergleich zu
Deutschland, aber nicht so, dass ich es nicht gewohnt wäre. Von Anfang an habe
ich mich wohlgefühlt, ein neues schönes, angenehmes Land. Kein Ärger mit
Männern wie in der Türkei, kein unangenehmes Anstarren wie in China, keine
Überfüllung der Städte wie in Uganda und keine frustrierenden Sprachbarrieren
wie in so vielen anderen Ländern.
Und was die Frauen angeht? So musste ich mich nicht immer
anstellen sondern durfte in der Schlange nach vorne. Im vollen Zug wurde mir
oft ein Sitzplatz angeboten. Mir wurde bei allem weitergeholfen wenn ich danach
fragte.
Wieder einmal komme ich zu dem Schluss, weniger wissen ist
oft sehr viel mehr. In diesem Fall mehr Ruhe, mehr Vorfreude, mehr Offenheit,
mehr vom Land.
Nachdem ich meinen studienbezogenen Aufenthalt in Jaipur und
Umgebung beendet hatte, konnte ich endlich losziehen und den Nordwesten Indiens
erkunden. Obwohl ich mir die Thar Wüste und das Himalaya als Ziele vornahm,
hatte ich doch kaum schöne, ruhige, einsame Stunden in der Natur; in dieser
Hinsicht ist Indien doch voll, denn einsam gibt es in Indien nicht. Stattdessen
wurde es mehr eine Reise, in der ich viel über verschiedene Religionen und
Kultur lernte. Hierin liegt der Reichtum Indiens.
Nach dem must-see Indiens, dem Taj Mahal, das ich persönlich
zwar schön, aber nicht sonderlich beeindruckend finde ging es für einen kurzen
Stop nach Pushkar, einem heiligen kleinen Örtchen mit einem der wenigen Brahma
Tempel im Land. Mit den vielen Touristen hatte es wenig heiliges, aber eine
schöne und angenehme Atmosphäre herrscht hier.
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Amber Fort , Jaipur |
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Udaipur |
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Udaipur |
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Mini Taj, Agra |
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Taj Mahal |
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Pushkar Lake |
In Jaisalmer- the golden city hatte sich ein Couchsurfer Zeit
genommen, um mir viele interessante Orte in der Umgebung zu zeigen - das Grabmahl
der Könige, ein verlassenes Dorf, das innerhalb einer Nacht neben 84 anderen Dörfern
wie ausgestorben war, und natürlich die Dünenfelder der Wüste, in denen ich
übernachten wollte. Aber wie gesagt gibt es kaum einsame Stellen in Indien, so
dass man von jeder Richtung Touristengruppen hörte, die mit ihren Kamelen und
Bier in die Dünen gekommen waren.
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Jaisalmer |
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Grabmähler, Jaisalmer |
In Amritsar habe ich den goldenen Tempel der Sikh besucht und
im Tempelkomplex gewohnt. Die Sikh waren mir sofort sympathisch. Einander
Dienen, Gastfreundschaft, Gleichheit, Miteinander sind ein paar der Werte. Hier
bekommt man kostenlos einen Schlafplatz und Essen. Alle sind hier willkommen.
Daher kann man auch als Tourist an dem Treiben teilnehmen anstatt nur zuzuschauen.
Mit dabei sein, dazu setzen, Tee trinken und Chapatis backen. Einfach mithelfen. Es ist ein reges und
interessantes Treiben hier und eine wunderbare Atmosphäre; daher habe ich mir
danach noch öfter Sikh Tempel zum Übernachten aufgesucht. Unter anderem in
Anandpur Sahib, wo das Sikh festival Hola Mahalla stattfand. Leider wurde das
Datum verschoben, so dass ich erst am letzten Tag ankam und fast alles verpasst
habe. Beim umher schlendern konnte ich dennoch ein paar Fotos der Sikh Warrior
machen, die mit ihren kunstvollen Turbanen und den Schwertern toll aussehen.
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Sikh Warrior auf dem Hola Mahalla |
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Hola Mahalla |
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Golden Temple, Amritsar |
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Töpfe voll Chai, Golden Temple |
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Chapatis, Golden Temple |
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Parade am Grenzübergang zu Pakistan |
Die ersten Gipfel des Himalaya habe ich in Daramshala bzw.
McLeodGanj gesehen. Mit Tibetern habe ich die Gegend erkundet und viel über
Buddhismus gelernt. Diese sind 1959 nach dem Tibetaufstand gegen die
kommunistische Regierung Chinas hierher geflohen. Daher wohnt auch der Dalai
Lama jetzt in McLeod Ganj und hat zur 100-Jahr Feier des Mentsekhang Krankenhaus
eine Rede im Tempel gehalten. Leider habe ich selbst nicht verstanden was er
sagte, aber es war trotzdem spannend mit dabei zu sein.
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Himalaya, McLeod Ganj |
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Buddhist Tempel, McLeod Ganj |
Das Zugfahren in Indien, auch oder vor allem in der
untersten Klasse habe ich genossen. Allerdings muss man rechtzeitig buchen, um
ein ‚Bett‘ zu bekommen. Da ich jedoch bevorzugt spontan weiterziehe, ohne auf
die Uhr zu schauen, habe ich angefangen die lokalen Busse zu nehmen. Was auch
ziemlich spannend war, nicht nur weil die ab und zu stehen geblieben sind,
sondern weil ich so zu Familien nach Hause eingeladen wurde oder von Menschen
die Stadt gezeigt bekommen habe.
Wider alle Warnungen konnte ich aber auch das Trampen nicht
sein lassen und wollte wissen, wie das Indien läuft. Also bin ich einen Tag
lang die kleinen Straßen bis nach Anandphur Sahib getrampt. Und es war einer
meiner schönsten Tage in Indien. Für mich ist es einfach besonders und spannender,
wenn ich in Dörfern lande in denen nichts für Touristen ausgelegt ist und
Menschen begegne, die sonst kaum Touristen treffen. Und dann zu erleben, dass
ich zum Essen eingeladen werde, obwohl ich nach einer Toilette frage, oder zum
Tee, nachdem jemand kurz auf meinen Rucksack aufpasste, Unterschriften vergeben
soll, weil ich die erste Ausländerin bin, die sie treffen; oder zu sehen, dass
sich abends nur noch Männer und Hunde auf der Straße rumtreiben und der Besitzer des
Gästehauses besorgt ist weil ich lange in der Dämmerung unterwegs war, um etwas
zu essen zu finden; Solche Begebenheiten, wenn auch klein und im eigentlichen nichts
besonderes, sind so viel mehr wert, da sie ‚echter‘ sind und mir einen besseren
Eindruck von Land und Leute geben, als Orte, die schon vom vielen Tourismus
getrübt sind. Wenn die Erlebnisse dann noch so positiv sind freut es mich umso
mehr, den Geschichten und Warnungen zum Trotz, zu erkennen, dass die meisten
einfachen Menschen überall auf der Welt freundlich, friedlich und hilfsbereit
sind; aber auch, dass mich mein großer Gott geführt und bewahrt hat.
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Familie auf dem Land bei Udaipur |
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Zuckerrohrsaft wird ausgepresst |
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Es wird Chai gekocht |
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Auch die Kühe haben wohl noch keine Touristen gesehen |
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Steintempel, Masroor |
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aus der Riksha fotografiert |
Ich wollte nochmal zurück in den Himalaya, um mehr
Schneeberge zu sehen. Allerdings bin ich nur sehr langsam vorwärts gekommen, so
dass ich nach zwei Tagen erst in Sarahan war, wo ich in einem Hindu Tempel blieb,
um traditionellen Tänzen bei einer Schulaufführung zuschauen und mit den Köchen
des Tempels Tee zu trinken, die mir für die Weiterreise sogar ein Essenspaket
gerichtet haben. Leider ging meine Zeit schon dem Ende zu, so dass ich auch
hier nicht viel einsame Natur entdecken konnte.
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Hindu Tempel, Sarahan |
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Varanasi war der letzte Stop im Norden - die heilige Stadt
am Ganges, zu dem viele Pilger reisen, um ihre Toten zu verbrennen oder deren
Asche im Ganges zu verstreuen. Es ist bizarr am Burning Ghat zu sitzen und Tee
zu trinken während ununterbrochen Menschen ihre Toten bringen, Rituale
vollziehen, die Körper verbrennen und am Fluss Menschen die Asche nach Gold und
Silber durchsieben. Und dennoch ist es ganz natürlich. Genauso bizarr scheint es mir, wie gerade in den heiligen
Städten der ‚Sittenverfall‘ so offensichtlich ist. Aber da merkt man, dass in
anderen Ländern eben andere Sitten herrschen und ich war froh jemanden an der
Seite zu haben, der mir viel zum Denken, Glauben und Leben der Inder und des Hinduismus
erzählen konnte.
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Ghats am Ganges |
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alles ist hier heilig |
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Kühe im Alltag |
Indien ist anders. Ein Land in dem es unheimlich viel zu
sehen und zu entdecken gibt, in das man den Rest des Lebens eintauchen kann und
vermutlich trotzdem nur einen Teil verstehen und erfassen wird. Aber ein Land
so intensiv, dass man es liebt oder hasst? Diesem Extrem bin ich nicht begegnet
und so ist es für mich einfach ein weiteres schönes Land, das ich kennen lernen
durfte.
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Train Station, Mumbai |
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Seiltänzerin, Anandpur Sahib |
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Hindu Tempel, Mt. Abu |
English Version (again, sorry for the bad google translation):
Rarely I had gotten such a bad impression of a country before. It is noisy, dirty, crowded; I should not accept food from strangers, not wandering alone in the dark; as a foreign girl I will get stared at and as a single traveling woman I will get problems sooner or later. Travellers, couch surfers and locals have only given me warnings and bad stories. India - you love it or hate it. I was almost sure I would hate it.But India is different. Different than expected. Where was the unpleasant, where the Extreme? Well, India is noisy and dirty compared to Germany, but not in a way I wouldn't be used to it. From the beginning I felt comfortable, a new beautiful, pleasant country. No trouble with men like in Turkey, no unpleasant gaze like in China, no
overcrowding in cities like in Uganda and no frustrating language
barriers as in so many other countries.And as far as women are concerned? I was allowed to jump the queue. In full trains a seat was often offered to me. I was helped always when I asked for it.Once again I come to the conclusion knowing less is often more. In this case, more peace, more excitement, more openness, more of the country.
After I finished my study-related stay in or around Jaipur, I was finally able to go out and explore the northwest of India. Although I planned to visit the Thar Desert and the Himalayas, it was difficult to have beautiful, quiet, lonely hours in nature; In this respect, India is crowded, because there are not lonely places in India. Instead, it was more a journey in which I learned a lot about different religions and culture. Here lies the richness of India.After
the must-see of India, the Taj Mahal, which I personally find
beautiful, but not very impressive I had a short stop in Pushkar, a
sacred small town with one of the few Brahma temple in the country. With the many tourists it did not seem holy, but a nice and pleasant atmosphere prevails here.In
Jaisalmer- the golden city, a couch surfer took time to show me many
interesting places around - the tomb of the Kings, an abandoned village,
which was deserted in one night with 84 other villages, and of
course the dune fields of desert, where I wanted to stay. But as I said, there is little lonely places in India, so that you
could hear from every direction tourist groups, who had come with their
camels and beer in the dunes.In Amritsar, I visited the Golden Temple of the Sikh and lived in the temple complex. I liked the Sikh instantly. Serve one another, hospitality, equality and cooperation are some of the values. Here you can get a free place to sleep and food. All are welcome here. Therefore, one can also participate rather than just watch as a tourist and I helped making chapati and drink tea. It is a lively and interesting place here and a wonderful atmosphere; therefore I have looked for more Sikh temples to stay. Among others in Anandphur Sahib where the Sikh festival Hola Mohalla took place. Unfortunately, the date was preponed so that I arrived on the last day and missed almost everything. When strolling I was still able to take some pictures of Sikh Warriors that look great with their ornate turbans and swords.
The first peaks of the Himalayas I have seen in Daramsala or McLeodGanj. With Tibetans I explored the area and learned a lot about Buddhism. The Tibetans fled in 1959 after the Tibetan uprising to the Chinese communist government to Daramsala. Hence the Dalai Lama now lives in McLeod Ganj and gave a speech at the temple for the100-year celebration of Mentsekhang hospital. Unfortunately, I did not understand what he said, but it was still exciting to be there.I enjoyed the train travel in India, even or especially in the lowest class. But you have to book well in advance to obtain a 'bed'. I prefer spontaneously traveling and started to take the local buses. That was also quite exciting, not only because they broke down sometimes, but because I got invited to family homes and met people, who showed me around their city.Despite any warnings I could not let hitchhiking be untried and wanted to know how this is working in India. So one day I hitchhiked the small roads to Anandpur Sahib. And it was one of my best days in India. For
me it is special and exciting when I end up in villages where nothing
is set up for tourists and meeting people, who hardly meet any
tourists. And to see then that I am invited to dinner, although I asked for a toilet,
or to tea after someone was watching my backpack, giving autographs, because I am the first foreigner they meet; or
to see that at dawn only men and dogs are roaming the streets and the owner
of the guesthouse is concerned because I was gone long after sunset to find something to eat; Such
occurrences, though small and actually nothing special, are worth so
much more, as they are more 'real' and give me a better idea of the country
and the people than places that are already dulled by the many tourists. And if
those experiences are so positive, it pleases me all the more to
recognize, despite the stories and warnings, that most people
are friendly, peaceful and helpful all over the world; but also that my great God has led and protected me.
I wanted to return again to the Himalayas to see more snow mountains. However,
I could move only very slow, so that after two days I only reached
Sarahan, where I stayed in a Hindu temple to watch traditional dances at
a school play and drink chai with the cooks of the temple. Unfortunately my time was coming to an end, so I could not see much solitary nature here either.Varanasi
was the last stop in the north - the holy city on the Ganges, where many pilgrims come to burn their dead relatives or to scatter their ashes in
the Ganges. It's
bizarre to sit at the Burning Ghat and drink tea while people
continously bring their dead, perform rituals, burn the body and to sift human ashes for gold and silver by the riverside. Equally bizarre it seems to me how especially in the holy cities the 'moral decline' is so obvious. But then I realize that different countries, different customs
applies. I was glad to have someone with me to tell me more of those customs, the faith and life in Hinduism.India is different. A
country where there is an awful lot to see and discover, in which one
can immerse the rest of life and still only understand and
capture a small part. But a country so intense that you love it or hate? That extreme I did not see and so for me India is simply another beautiful country, which I got to know.
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